Etwa 80 Interessierte, darunter VertreterInnen von Stiftungen, Naturschutzorganisationen, Landwirtschaftsverbänden, Behörden und Politik folgten der Einladung zum zweitägigen Meinungsaustausch, bestehend aus Tagung, Exkursion und vielen Gesprächen. Auf der Tagung in der Niederndodelebener „Speiserei“, die von Johannes Schulte-Althoff, Vorstandsmitglied der Deutschen Stiftung Kulturlandschaft, eröffnet wurde, betonte Staatssekretär Gert Zender gleich zu Beginn der Veranstaltung, dass Naturschutz in der Kulturlandschaft nicht ohne die Landwirte funktioniere. Er sei sehr froh, dass es in Sachsen-Anhalt so ein Modellprojekt gebe und gab bekannt, dass weitere Kooperativen geplant sind.
Dr. Christine Krämer vom Thünen-Institut stellte in ihrem Vortrag Erfahrungen aus dem Niederländischen Modell zur kooperativen Umsetzung von Arten-, Klima und Biotopschutzmaßnahmen vor und erläuterte dessen Vorteile im Vergleich zu einzelbetrieblichen Naturschutzmaßnahmen.
Dr. Jens Birger, Geschäftsführer der Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt, erläuterte anschließend einige dieser Maßnahmen des laufenden Modellprojekts: die Anlage von Erbsenfenstern und von Streifen mit extensiv angebautem Wintergetreide, der Anbau von Sommergetreide, der Anbau von extensiven Sommergetreidestreifen mit Untersaat und die Ährenernte zum Feldhamsterschutz.
In einer Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Landwirtschaft, Stiftungen und dem Naturschutz wurde deutlich, dass Kooperation zwischen Naturschutz und Landwirtschaft auf Augenhöhe zum Erfolg führt. Das funktioniert am besten, wenn jeder Beteiligte mit seiner Expertise anerkannt ist, man gemeinsam nach Lösungen sucht, der Mehraufwand und der Ertragsausfall angemessen vergütet werden und der bürokratische Aufwand minimiert wird.
Eine Exkursion mit Kremsern zu den „Bördegrün“-Feldern mit den verschiedenen Biodiversitätsmaßnahmen machte den Teilnehmern des Dialogforums deutlich, wo bereits Erfolge für den Schutz der Tier- und Pflanzenwelt erzielt wurden. Die Bördegrün GmbH & Co.KG nimmt am Modellprojekt teil und setzt für andere Auftraggeber Naturschutzmaßnahmen um. Landwirt Urban Jülich wies an der ersten Station von einer Höhe aus auf einige Erbsenfester, welche nun im Sommer mitten in einem abgeernteten Gerstenfeld liegen: „Dort finden zum Beispiel die Feldlerchen Brut- und Landeplätze sowie Niederwild und Feldhamster einen Rückzugsort mit Nahrung. Das bleibt bis zum Herbst dort stehen.“ Auch mit Feldvogelstreifen, die inmitten von Maisfeldern angelegt werden, sollen Rückzugsorte für Tiere geschaffen werden, die Ernte des mit doppeltem Reihenabstand ausgesäten Sommergetreides steht auch hier nicht im Vordergrund, so Jülich.
Zwischen dem Maisfeld und den regelmäßig von Schafen beweideten Hängen des Hohen Wartberges liegt seit 2019 ein breiter Streifen Extensivacker. Das Monitoring der Fläche liegt in den Händen von Antje Lorenz, die das aktuelle Ackerwildkrautprojekt der Stiftung leitet. Durch die intensive Landwirtschaft verschwanden zahlreiche Arten aus unseren Kulturlandschaften, andere sind gefährdet. „Hier auf einem sogenannten Lichtacker mit spätem Stoppelsturz gedeihen auch sehr seltene, spätblühende Arten wie der Einjährige Ziest“, erklärte Antje Lorenz. Sie zeigte den Interessierten und den Kameraleuten des MDR-Fernsehens seltene, hier durch die Naturschutzmaßnahmen wieder auftretende, Arten wie Kornrade, Ackerhaftdolde, Venuskamm und Adonisröschen. „An diesem Randstreifen, am Übergang zum Magerrasen ist die Ackerflora durch die extensive Bearbeitung sehr artenreich. Auf dieser Fläche haben alle Arten 25 Jahre Zeit, sich zu etablieren und wir haben ebenso viel Zeit, sie zu beobachten, Eigenheiten zu erforschen, seltene Arten zu vermehren, zu etablieren, eine Samenbank aufzubauen und alles aufzuzeichnen.“
Die nächste Station der Kremser führte durch beweidete Flächen zwischen den Orten Niederndodeleben und Irxleben. Hier wurde auf Initiative der Stiftung durch die regelmäßige Schafbeweidung aus verbuschtem Brachgelände mit minderwertigen Grassorten ein artenreicheres Biotop geschaffen, welches viel mehr Blütenreichtum zeige, wie Frau Dr. Antje Birger erklärt.
Anschließend wanderten die Exkursionsteilnehmer noch zu einer Hamsterkernfläche nahe des Erbsberges, die in Streifen abwechselnd Luzerne und Extensiv-Getreide aufweist. Integriert ist zusätzlich eine wildzaunbegrenzte Hamstermutterzelle, auf der in den nächsten Jahren Hamster angesiedelt werden sollen. Der Landschaftspflegeverband „Grüne Umwelt“ kümmert sich um den im Feld befindlichen kleinen Baumbestand, der jetzt aus invasiven Robinien bestehend, später Stieleichen und Winterlinden aufweisen soll.
Um einige Erfahrungen und Anregungen reicher traten die Teilnehmer des Dialogforums ihren Heimweg an und waren sich einig, dass den Herausforderungen im Spannungsfeld von Nahrungsmittelproduktion und Naturschutz mit kooperativen Ansätzen, wie sie die Stiftung in Sachsen-Anhalt umsetzt, erfolgreich begegnet werden kann.